Festrede zum Jubiläum von Dekanin Ulrike Schmidt-Hesse
Grußwort zur Veranstaltung 40 Jahre Oikocredit Hessen-Pfalz
am 6. September 2019 in Darmstadt
Lieber Herr Bäumler,
liebe Frau Winkler,
meine Damen und Herren,
herzlich willkommen im Offenen Haus. Dies ist ein Ort der Begegnung, des Gesprächs über Glaubens- und Lebensfragen, der Besinnung und des Feierns und ein Forum zur Debatte gesellschaftspolitischer Fragen. Im Jubiläumsabend von Oikocredit kommen diese unterschiedlichen Aspekte zusammen.
Schön, dass Sie hier sind, dass wir hier zusammen feiern können.
Ich sage wir, weil ich selbst seit langem Mitglied des Förderkreises Hessen-Pfalz bin und weil unser Dekanat Mitglied von Oikocredit ist. Das gleiche gilt für viele Gemeinden und Einzelne in Darmstadt und in Südhessen und auch für unsere Gesamtkirche, die in Darmstadt ihren Sitz hat.
Wir feiern heute 40 Jahre erfolgreiches Engagement für weltweite Gerechtigkeit für alle Menschen, für gleiche Chancen durch faire Kredite.
Mit dem Motto „Investieren in Menschen“ fördern die Anlegerinnen und Anleger bei Oikocredit Entwicklungskredite in Afrika, Asien und Lateinamerika. Zu den drei Schwerpunkten der Arbeit werden uns heute Abend Beispiele vorgestellt: Stärkung von Frauen durch Schulung und Kleinkredite, Förderung kleinbäuerlicher Landwirtschaft und des fairen Handels, sowie Förderung erneuerbarer Energien. All dies sind Beiträge zu einer gerechteren Welt.
Es geht also bei Oikocredit um Geldanlagen, die einer nachhaltigen Entwicklung zugutekommen. Zugleich ist Oikocredit mehr als eine Finanzorganisation, die Kredite nach ethischen Kriterien vergibt. Ein wesentliches Element der Arbeit ist die entwicklungspolitische Bewusstseinsbildung und die Lobby- und Advocacyarbeit die gerade von den Förderkreisen geleistet wird. Es genügt nicht, dass Oikocredit Hilfe zur Selbsthilfe für Bauern in Afrika ermöglicht, wenn gleichzeitig deutsche Agrarexporte dort lokale Märkte zerstören. Deshalb müssen wir auch unsere Stimme erheben für gerechte Wirtschafts- und Handelsbeziehungen. Das gleiche gilt für Klimagerechtigkeit.
Und das tut der Förderkreis Hessen-Pfalz.
2018 hat der Förderkreis - und das heißt die vier Regionalgruppen und 60 Ehrenamtliche zusammen mit der Geschäftsstelle - knapp 60 Bildungsveranstaltungen durchgeführt. In 40 Jahren wurden mit 2000 Veranstaltungen etwa 80.000 Menschen erreicht. Und diese Menschen haben vieles in Bewegung gebracht, haben Debatten angestoßen, Einfluss genommen für eine Entwicklung, die dem Leben dient.
Ich möchte allen, die sich in diesen 40 Jahren für die Ziele von Oikocredit engagiert haben und weiter engagieren, meinen Respekt und meine Wertschätzung ausdrücken. Zwei Personen möchte ich stellvertretend nennen: Ingrid Schmidt-Viertel und Ernst Standhartinger. Ihnen beiden und Ihnen allen ganz herzlichen Dank!
Karsten Löffler, der Aufsichtsratsvorsitzende von Oikocredit International, hat beim Thementag im Mai diesen Jahres gesagt: „Förderkreise sind die Stimmen im Norden für eine gerechte Welt.“
Ja, wir brauchen Visionen einer gerechten, partizipatorischen und lebensfähigen Gesellschaft, Visionen einer Wirtschaft, die dem Leben dient – ich verwende Leitbilder, die im Ökumenischen Rat der Kirchen entwickelt wurden. Wir brauchen Visionen und wir brauchen konkrete Schritte, Modelle, die zeigen, wie es gehen kann und durch die die Lebensbedingungen und Perspektiven für Menschen jetzt verbessert werden.
Die Verbindung von Vision und Modell, von Kreditgeber und Bewegung ist ein Kennzeichen von Oikocredit. Ein anderes ganz wesentliches Charakteristikum ist die Verbindung von Leidenschaft für Gerechtigkeit und ökonomischem Sachverstand.
Ich erinnere mich noch gut daran, dass es anfangs sehr umstritten war, ob kirchliche Gelder bei Oikocredit angelegt werden können. Dabei ging es um das Kriterium der Sicherheit. Die Entwicklung hat gezeigt, dass diese gewährleistet ist. Inzwischen wird Oikocredit von vielen Finanzfachleuten anerkannt und geschätzt. Und Oikocredit hat durch seine Arbeit einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung ethischer Anlagekriterien in unserer Kirche geleistet.
Oikocredit International wurde 1975 gegründet und der Förderkreis Hessen-Pfalz 1979. Damals hieß die Organisation noch „Ökumenische Entwicklungsgenossenschaft“. Wir sprachen immer von „EDCS“ – für „Ecumenical Development Cooperative Society“. Initiator war der Ökumenische Rat der Kirchen in Genf.
Daran erinnert bis heute das Zeichen im Logo von Oikocredit, das vom Ökumeneschiff herkommt. Und der Name. Oikos, das Haus steht für den ganzen Erdkreis und alle die darauf wohnen, es steht für Ökonomie und Ökologie. Und auch das Wort Credit im Namen verbindet verschiedene Bereiche: Wirtschaft und Glauben, Finanzen und Vertrauen.
Finanzen und Wirtschaft sind nicht Bereiche, die ihre eigenen Gesetze haben. Umgekehrt ist Religion nicht auf den Privatbereich beschränkt. Nein, Finanz- und Wirtschaftsfragen sind auch Fragen christlichen Glaubens und Lebens. Wir glauben als Christinnen und Christen, dass Gott Leben und volle Genüge will, für alle Menschen und die ganze Schöpfung. Dies gilt es zu bezeugen in allen Lebensbereichen, auch im Bereich von Geldanlagen, ebenso wie in unserer Art zu arbeiten, zu konsumieren, politische und wirtschaftliche Strukturen zu gestalten.
So zu leben, sich für weltweite Gerechtigkeit einzusetzen, das bedeutet viel Arbeit und ist oft unbequem. Es bedeutet Konflikte einzugehen. Und zugleich gibt es da wunderbare Erfahrungen: wir können eigene Kräfte entdecken, neue Fähigkeiten entwickeln, mit interessanten Menschen in Kontakt kommen; wir können erleben, dass das Engagement für eine gerechtere Welt nicht nur eine ethische Aufgabe ist, sondern vergnügt macht. Wer ‚genug‘ hat, kann vergnügt sein.
Der Ökumenische Rat der Kirchen hat zu einem Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens aufgerufen. Wirtschaften im Dienst des Lebens ist dabei ein wesentliches Thema, das viele Menschen weltweit bewegt - sowohl in den Kirchen als auch in anderen Religionen und anderen Organisationen.
Ich wünsche Ihnen allen, dem Förderkreis Hessen-Pfalz, Oikocredit International und den Partnerorganisationen, ich wünsche uns allen, dass wir beherzt weitergehen auf dem Weg zu einer gerechteren Welt und das viele weitere Weggenossinnen und Weggenossen dazu kommen. Lassen wir uns dazu verlocken, miteinander gerecht zu leben!
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Ulrike Schmidt-Hesse
Dekanin
Evangelisches Dekanat Darmstadt-Stadt
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